Arbeitszeit

Pflegesensible Arbeitszeiten haben zum Ziel, über eine Arbeitszeitreduzierung hinaus mehr Flexibilität und eine souveränere Gestaltung der Arbeitszeit im Rahmen einer Vollzeit- oder vollzeitnahen Beschäftigung zu ermöglichen. Das Engagement bei der Pflege eines Angehörigen ist fast zwangsläufig mit einer zeitlichen Einschränkung der Erwerbstätigkeit verbunden. Diese Einschränkung so gering wie möglich zu halten, wirkt sich nicht nur positiv auf die Motivation der Beschäftigten aus. Sie trägt auch dazu bei, die mit einer Teilzeittätigkeit verbundenen Nachteile, wie Einkommenseinbußen oder die „(Gender) Pension Gap“, auf ein Mindestmaß reduzieren zu können. 

 

Flexible Arbeitszeit

Situation

Die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und häuslicher Pflege erfordert ein komplexes Pflegearrangement, in dem sich über den Tag verteilt verschiedene Unterstützungsdienste um den Pflegebedürftigen kümmern. Oft passt das Pflegearrangement nicht zu den Arbeitszeiten der berufstätigen Pflegeperson und manchmal ist auch kurzfristig eine Anwesenheit zu Hause nötig. Eine möglichst frei einteilbare Arbeitszeit, die auch kurzfristig disponibel ist, ermöglicht Pflegenden eine einfachere Organisation ihres Alltags in doppelter Verantwortung.

Maßnahme

Vor allem Gleitzeitmodelle und Arbeitszeitkonten bieten sich an, um die Einteilung der Arbeitszeit in die Eigenverantwortung der Beschäftigten zu stellen.

Gleitzeitarbeit erlaubt den Beschäftigten, Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit innerhalb eines vereinbarten Zeitrahmens selbst zu bestimmen. Dabei können eine verbindliche Kernarbeitszeit und die Zeitspanne vereinbart werden, innerhalb der gearbeitet werden soll. Noch größere Spielräume bieten Modelle mit variabler Arbeitszeit, bei denen auf eine Kernzeit verzichtet wird. Hier wird nur das Zeitfenster festgelegt, innerhalb dessen die Arbeitszeiten in Absprache mit den Vorgesetzten und Kollegen eigenverantwortlich und bedarfsorientiert gewählt werden können.

Arbeitszeitkonten mit monatlichen oder jährlichen Abrechnungszeiträumen ermöglichen pflegenden Beschäftigten, sich an Einzeltagen oder in Phasen mit höherem Betreuungsbedarf – zum Beispiel bedingt durch eine Erkrankung – intensiver um den Pflegebedürftigen kümmern zu können. Die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten werden auf einem Zeitkonto erfasst und Plus- oder Minusstunden als Arbeitszeitguthaben bzw. Arbeitszeitschulden ausgewiesen. Hilfreich bei der Regulierung ist ein Regelungsrahmen hinsichtlich Ober- und Untergrenzen und Ausgleichszeiträumen von Plus- und Minusstunden. Die Möglichkeit zur Überziehung des Zeitkontos erlaubt auch Freistellungszeiten zur Pflege, die dann sukzessive im Betrieb nachgearbeitet werden.

Tipp

Flexible Arbeitszeiten setzen oft eine Prüfung und Anpassung der Arbeitsorganisation und Arbeitsabläufe voraus. Dazu kann zum Beispiel gehören, dass Sitzungstermine und die Dauer von Sitzungen angepasst werden.

 

Komprimierte Arbeitszeit

Situation

Nicht jeder kann und möchte pflege- oder betreuungsbedürftige Angehörige zu Hause versorgen. Unter Umständen liegen sogar mehrere Stunden Distanz zwischen den Wohnorten. Die Pflege wird in solchen Fällen in der Regel von Pflegeeinrichtungen oder Geschwistern übernommen. Dennoch haben Beschäftigte, deren Angehörige Betreuung oder Pflege benötigen, häufig das Bedürfnis, so viel wie möglich für diese da zu sein bzw. pflegende Familienmitglieder zu entlasten.

Maßnahme

Wenn die oder der Beschäftige nicht die Hauptpflegeperson ist, jedoch gerne eine Teilverantwortung für den pflegebedürftigen Angehörigen übernehmen möchte, kann sich eine komprimierte Arbeitswoche anbieten. Einer Vollzeittätigkeit in vier statt wie regulär in fünf Tagen nachzugehen, bietet den Beschäftigten flexible Möglichkeiten, um zum Beispiel den pflegebedürftigen Verwandten zu besuchen oder für ein verlängertes Wochenende zu sich zu holen, ohne dass das Unternehmen durch eine Reduzierung des Arbeitsumfangs finanzielle Einbußen hat.

Tipp

Die Doppelbelastung von komprimierter Vollzeittätigkeit und Pflege kann durchaus zu einer Überlastung des Beschäftigten mit Folgen für den Gesundheitszustand und die Arbeitsleistung führen. Daher sollte in Mitarbeitergesprächen die Tragfähigkeit dieses Arbeitszeitmodells regelmäßig geprüft und gegebenenfalls alternative Modelle vorgeschlagen werden.

 

Kurzfristig gewährte Freistellung/Sonderurlaub

Situation

Typischerweise möchten Pflegende ihre Berufstätigkeit nicht gänzlich zugunsten der Pflegeaufgaben aufgeben. Sowohl finanzielle als auch soziale Gründe sprechen dafür, weiter im Beruf zu bleiben. Mehrwöchige Arbeitsunterbrechungen können aber insbesondere zu Beginn und am Ende der Pflege sinnvoll oder notwendig sein. Wenn die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen plötzlich eintritt, benötigt eine in der Pflege noch unerfahrene Pflegeperson kurzfristig Zeit, um sich gut informieren und das Pflegearrangement gut organisieren zu können. Auch bei einer unerwarteten Verschlechterung des Zustandes des pflegebedürftigen Angehörigen haben Beschäftigte häufig das Bedürfnis, sich in dieser Zeit intensiv um den betroffenen Angehörigen zu kümmern, ohne dabei den Verlust des Arbeitsplatzes zu riskieren. Wenn für Pflegeaufgaben reguläre Urlaubstage in Anspruch genommen werden, bleibt entsprechend weniger Freiraum für Erholungszeiten, worunter der Gesundheitszustand der Pflegeperson leiden kann.

Maßnahme

Sowohl unbezahlte längerfristige Freistellungen als auch eine bestimmte Anzahl frei verfügbarer Sonderurlaubstage bieten sich als Pausenmaßnahmen für pflegende Angehörige an. Wichtig sind dabei kurze Antragsfristen und eine flexible Handhabung der Freistellungen. Nicht nur der Beginn, sondern auch der Verlauf und das Ende der Pflegetätigkeit durch den Tod des Angehörigen, sind oft nicht vorhersehbar. Daher sollte nicht nur die Freistellung, sondern auch der Wiedereinstieg ins Unternehmen kurzfristig ermöglicht werden.

Tipp

Eine längerfristige Freistellung sollte als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Stattdessen sollte nach Modellen gesucht werden, die einen Verbleib des Beschäftigten im Unternehmen ermöglichen, wie es z.B. das Familienpflegezeitgesetz vorsieht. Aus Sicht der Pflegenden ist eine Erwerbstätigkeit eher als Ausgleich und emotionale Entlastung von der Pflegetätigkeit und keineswegs nur als zusätzliche Belastung zu sehen. Aus Unternehmenssicht werden durch alternative Modelle freistellungsbedingte Dequalifikationseffekte vermieden.

 

Rücksichtnahme bei Urlaubsplanung

Situation

Durch die Doppelbelastung benötigen pflegende Berufstätige in besonderem Maße Urlaub – nicht nur von der Arbeit, sondern auch von der Pflege. Um eine Erholungsreise machen zu können, muss die Pflege entweder durch ein spezielles Arrangement mit ambulanten Diensten oder als Kurzzeitpflege in einer Einrichtung gewährleistet sein. Gerade bei der Kurzzeitpflege bestehen lange Wartezeiten, und Plätze sind nicht immer zu den bevorzugten Terminen verfügbar.

Maßnahme

Bei der Planung des Jahresurlaubs wird auf pflegende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besondere Rücksicht genommen. Um möglichen Störungen des Betriebsklimas wegen der Bevorzugung einzelner Beschäftigter bei Urlaubsanträgen vorzubeugen, ist es sinnvoll, die Belegschaft für die Doppelbelastungen durch Beruf und Pflege zu sensibilisieren.

Tipp

Generell sollten Vorgesetzte und Personalabteilung bei pflegenden Beschäftigten auch im Eigeninteresse des Unternehmens darauf achten, dass der Erholungsurlaub in Anspruch genommen wird, um damit der Gefahr von Erkrankungen und Unkonzentriertheit vorzubeugen.

 

Teilzeit

Situation

Wenn die Versorgung des pflegebedürftigen Angehörigen mit Hilfe externer Pflege- und Betreuungsanbieter oder anderer Familienangehöriger gut organisiert ist, möchten die im Beruf stehenden Pflegenden in aller Regel so weit wie möglich ihrer normalen Erwerbstätigkeit nachgehen. Da die Koordination der Dienstleister sowie die alltäglichen Erledigungen für den Pflegebedürftigen, zum Beispiel Bankgeschäfte oder Arztbesuche, jedoch Zeit brauchen, wird eine Arbeitszeitreduzierung oft als Chance betrachtet, Beruf und Pflege im Alltag besser zu vereinbaren. Hierbei werden vollzeitnahe Wochenstundenumfänge von 75 % und mehr nachgefragt. Eine stärkere Reduzierung ist für die meisten Pflegenden nicht praktikabel, da dies entweder zu finanziellen Engpässen oder aber zu einer Gefährdung der beruflichen Karriere führen würde.

Maßnahme

Die Einführung von Teilzeitmodellen unterschiedlichen Umfangs bietet sich für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die einen pflegebedürftigen Angehörigen im eigenen Haus versorgen und von Dienstleistern dabei unterstützt werden. Welcher Teilzeitumfang im konkreten Fall sinnvoll und geeignet ist, lässt sich am besten in einem individuellen Beratungsgespräch klären. Je nach Tätigkeit und Position muss auch entschieden werden, wie die Teilzeit gestaltet und die anfallende Mehrarbeit verteilt bzw. anders organisiert werden kann.

Tipp

Unternehmen stehen mitunter vor dem Problem, dass Teilzeitbeschäftigte am liebsten vormittags arbeiten, für den Nachmittag dagegen kaum komplementäre Teilzeitkräfte zur Verfügung stehen. Bei Pflegenden in Teilzeit, die weniger von starren Öffnungszeiten abhängen, bietet es sich an, gezielt nach der Möglichkeit für nachmittägliche Arbeitszeiten zu fragen und gegebenenfalls die Beschäftigten bei der Suche nach bzw. der Organisation einer Nachmittagsversorgung für den pflegebedürftigen Angehörigen zu unterstützen.